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Montag, 25. Juni 2012

Gedanken zu Bergsport und Leistung


Verschiedentlich wurde ich positiv auf meinen Artikel zum Treiben am Everest angesprochen, interessante Diskussionen haben sich daraus ergeben. So auch eine mit einem Urgestein aus dem Basler Jura, das seine Gedanken derart eloquent schriftlich niederschrieb, dass sie an dieser Stelle publiziert werden. Nur als kleine Anmerkung am Rande, wer hier publizieren möchte, ist mit guten Beiträgen herzlich willkommen!

Ein Gastbeitrag von Patrik Müller*

Ich finde es generell immer sehr schwierig, Leistungen im Alpinsport zu vergleichen und daher auch abschliessend zu Bewerten. Wichtig ist aus meiner Sicht daher die Transparenz wie eine Leistung erbracht wurde und danach verkauft wird. So zum Beispiel die Tatsache, ob an hohen Bergen zusätzlicher Sauerstoff, bestehende Lager und so weiter benützt wurden. Ob eine eigene Spur gezogen wurde, oder ob man komplett alleine am Berg unterwegs war.

Granitklettern in Chamonix. Foto: Archiv P. Müller.
Ohne die Leistung von Ueli Steck zu mindern, wird es bei diesen Punkten bereits schwierig, den Einfluss der anderen Anwesenden zu werten. Ueli Steck versucht dies zumindest in seinem Beitrag aber nicht zu vertuschen. Der Einsatz seiner Batterieheizung ist meines Erachtens legitim, wenn er die dazu nötigen Batterien selber hinauf trägt. Dies ist Technologie und deren konsequente Ablehnung würde nur noch nackte Freesolo-Begehungen zulassen. Natürlich fragt sich dann aber sofort auch, ob der Sauerstofftransport in Flaschen zur Erleichterung der Besteigung nicht auch nur Technologie ist?

Bereits der Speed-Rekord von Dani Arnold an der Eigernordwand wird mit dem Berücksichtigen der Tatsache, dass er die Fixseile am Hinterstoisser-Quergang benutzte, relativiert. Nicht die absolute Zeit, sondern die effektiv erbrachte Leistung. Dadurch, dass Dani Arnold jedoch ehrlich diesen Fakt darstellt ist es nun an uns Alpinisten diesen "Rekord" und was er alpinsportlich bedeutet zu werten. Auch Ueli Steck verdammt die künstlichen Sauerstoff benützenden Massen am Everest nicht. Er darf aber zurecht von all den Everest-Helden Transparenz betreffend deren Begehungsstils einfordern. Dies kommt für mich noch weit vor einer allgemein gültigen Ethikregelung.

Mixedklettern im Basler Jura. Foto: Archiv P. Müller
Und hier setze ich an einem etwas früheren Blog-Beitrag betreffend der Aktion am Cerro Torre (Link) an. Denn meiner Meinung nach hat diese Aktion weniger mit Ethik, denn mit Anmassung zu tun. Genausogut könnten dann nämlich all die  Techno-Klassiker am El Cap oder in den Dolomiten (Drei Zinnen) ausgenagelt werden. Und konsequenterweise hätte dann ebenfalls jeder freesolo Kletterernde das Recht, seine so gekletterten Routen auszunageln, denn es ging ja auch ohne, ist ja bloss eine Frage des Engagements! Für mich sind solche Aktionen Blödsinn und entstehen aus einem opportunistischem Geschichtsverständnis. Denn die Route der zwei Amis am Cerro Torre, wurde ja anscheinend auch nur mit Hilfe einiger Bolts begangen. Da müsste diese Route "nicht gelten", ausgenagelt (renaturiert) und höchstens als "offenes Projekt" gehandelt werden!

Für mich gilt: Aufpassen wenn man eine bergsportliche Leistung öffentlich darstellt. Und die fängt bereits mit den guten Sprüchen alter SAC-ler an, die wir nur all zu gut kennen: "Ja, das haben wir früher schon mit den Bergschuhen geklettert!!" Das sich die ehrenwerte Bergsteigergilde aber an jedem denkbaren Haken hinaufzog und fleissig auch Trittschlingen benutzten wird ausgeblendet. Nur die Wortwahl "geklettert" wird beibehalten, unbeachtet der im heutigen Kletterverständnis differenzierteren Bedeutung des Begriffs. Dasselbe gilt mit den Begriffen "auf den höchsten Berg geklettert" oder eine Tour "solo" gemacht. Da  kommen mir die Bilder von Röbi Bösch in den Sinn, wo man Evelyne Binsack "solo" in den Spuren von ihm die Lauperroute am Eiger hochsteigen sieht...!

Sportklettern in Finale Ligure. Foto: Archiv P. Müller
Zum Glück kann Bergsport kaum über fixe Parameter gemessen und Leistung entsprechend bewertet werden. Umso mehr liegt es an der Ehrlichkeit der Akteure, die Umstände ihres Tuns zu deklarieren und ob sich die erbrachte Leistung mit der ursprünglich gewollten deckt. Also, ob man sein alpinistisches Ziel erreicht hat. Ob dieses Ziel einen Meilenstein für den Bergsport bedeutet, eine bisherige Leistung in den Schatten stellt oder gar eine Schandtat darstellt, darf dann beim Bouldern, am Lagerfeuer oder in den Hütten bis zum Umfallen diskutiert werden und immer wieder für rote Köpfe sorgen. Aber vielleicht auch Ansporn dafür, etwas besser, schneller, sauberer oder wie auch immer zu machen. Es lebe der Bergsport!

* Seines Zeichens Präsident der IG Klettern Basler Jura, verrichtet Patrik Müller enorm nützliche Dienste für uns Felsliebhaber, und verdient für diesen Einsatz unser herzlichstes Dankeschön. Dass er auch alpinsportlich etwas auf dem Kasten hat, zeigen seine Expeditionen zum Makalu (8463m, 3x ohne zusätzlichen Sauerstoff bis auf eine Höhe von 7400m, danach umgekehrt), und seine Klettereien am El Capitan, wo er 3 Routen bis zum Grad A4 komplettiert hat. Hierzulande ist er viel beim Klettern (bis 6b+ onsight) anzutreffen, und er richtet auch gerne Routen ein, im Plaisir-Standard, alpin und im Klettergarten, "von unten" als auch "von oben".

Dienstag, 12. Juni 2012

Maillon Rapide

Sie sind allgegenwärtig, wenn man klettert: Schraubkettenglieder, bekannt unter dem französischen Namen Maillon Rapide, oder dem englischen Quick Link. Über die Haltekräfte dieser Schraubglieder herrscht aber weitherum Unwissen, oder vielleicht auch nur Konfusion. Ganz so einfach ist es aber tatsächlich nicht, hier der Versuch einer Klärung.

Wir wollen einmal die Maillons von Péguet betrachten, das ist DER Hersteller dieser Teile. Schon da ist die Sache etwas kompliziert, da im Prinzip baugleiche Schraubglieder in zwei Versionen geliefert werden. Nämlich einerseits "nur" selbstzertifiziert, und andererseits mit der Norm EN 12275, welche den Einsatz solcher Teile im Bergsport regelt. Das Bild unten zeigt die beiden Versionen mit den eingeprägten Informationen.

Maillons Rapides von Péguet mit eingeprägten Informationen
Bei der selbstzertifizierten Version (oben) ist die Nutzlast (WLL, Working Load Limit) angegeben. Für Teile, welche nicht im Klettersport eingesetzt werden, ist die Angabe der Nutzlast der Standard. Wichtig ist nun zu wissen, dass diese nicht gleich der Bruchlast ist. Péguet errechnet nämlich WLL=Bruchlast/5, d.h. die Bruchlast des abgebildeten Maillons liegt bei 5*770=3850kg, was einer Kraft von rund 38kN entspricht, viel mehr als ausreichend für jeden Klettersturz mit einem dynamischen Seil.

Ein anderes Maillon (unten), welches nach EN 12275 für den Bergsporteinsatz zertifiziert ist, hat jedoch nicht die Nutzlast, sondern die Bruchlast angegeben. Diese beträgt auf der langen Achse 25kN, auf der Querachse 10kN. Genau gleich wie bei Karabinern ist also auch bei Maillons die Querbelastung kritischer, wenngleich die Kraft von 10kN bei einem Klettersturz kaum je überschritten werden dürfte. Natürlich hängen die Bruchlasten stark vom Durchmesser und auch vom verwendeten Werkstoff ab, die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht.

Verzinkt

6mm: Nutzlast 400kg, Bruchlast 2000kg, bzw. 20kN
8mm: Nutzlast 700kg, Bruchlast 3500kg, bzw. 35kN
10mm: Nutzlast 1100kg, Bruchlast 5500kg, bzw. 55kN
12mm: Nutzlast 1500kg, Bruchlast 7500kg, bzw. 75kN

Inox

6mm: Nutzlast 650kg, Bruchlast 3250kg, bzw. 32.5kN
8mm: Nutzlast 1100kg, Bruchlast 5500kg, bzw. 55kN
10mm: Nutzlast 1800kg, Bruchlast 9000kg, bzw. 90kN
12mm: Nutzlast 2500kg, Bruchlast 12500kg, bzw. 125kN

Verschiedene Formen, verschiedene Durchmesser, verschiedene Hersteller. Was taugt, und was taugt nicht?
Nun, so weit so gut. Wir konstatieren also, dass selbst ein verzinktes 6mm-Maillon von Péguet eine Bruchlast in ähnlichem Rahmen wie ein Kletterkarabiner aufweist. Man muss sie daher nicht als kritisches Element in der Sicherungskette betrachten. Doch Vorsicht:

  • Bei Querbelastung weisen alle Maillons (gemäss Angabe von Péguet) unabhängig von Werkstoff und Durchmesser eine Festigkeit von nur 10kN auf. Aber gut, bei Karabinern ist dies nicht anders, bzw. der Wert mit meist nur 7kN sogar noch tiefer.
Noch schlimmer: nicht alle Maillons Rapides, welche man in freier Wildbahn antrifft, kommen aus der Schmiede von Péguet. Der findige Kletterer, welche diese günstig erstehen will, kauft im Baumarkt. Weil Nutz- und Bruchlast von der verwendeten Stahlqualität und der Fertigungsweise abhängen, sind billigere No-Name-Teile in der Regel auch weniger stabil. Oft ist auch fraglich, was die aufgeprägten Werte, falls überhaupt vorhanden, bedeuten. Eine kurze Analyse von aufgefundenen und entfernten Rückzugs-Maillons anderer Kletterer zeigt solche ganz ohne Prägung, dann auch Dinge wie "max. 400kg", etc.. Nun einige Hinweise für die Praxis:
  • Wenn Du Maillons für den Klettereinsatz kaufst, so erstehe bitte Teile von einem namhaften Hersteller, bei welchen die Bruchlast bekannt ist. In einem gut sortierten Fachgeschäft (Bergsport, Speleo oder Eisenwarenhandel) wird dies der Fall sein.
  • Auch wenn die Bruchlast von Markenware selbst bei 6mm Durchmesser ausreichend ist, so ist es in der Praxis doch sinnvoll, Maillons mit mindestens 8mm Durchmesser zu verwenden. Auch wenn diese etwas schwerer und teurer in der Anschaffung sind.
Noch viel wichtiger: ist auf einer Kletterroute, mitten in einer Seillänge, ein Rückzug fällig, so verwende bitte nicht ein Maillon an einem Zwischenbohrhaken! Das ist ein egoistisches Verhalten, welches von wenig Sachverstand zeugt. Denn der nächste Kletterer muss beim Klettern entweder erst das Maillon herausfummeln oder seinen Karabiner darin einhängen. Um so mit gutem Gewissen weiterklettern zu können, müsste man erst Durchmesser und Prägung feststellen, was in der Praxis logischerweise kaum möglich ist. Die Maillons sind schon bei Temperaturschwankungen und etwas Korrosion kaum mehr ohne Werkzeug zu entfernen, oft hilft sogar nur noch aufsägen. Also: bitte verwende bei einem Rückzug auf der Seillänge stets einen alten Karabiner, welcher von nachfolgenden Kletterern problemlos wieder entfernt werden kann. Die Preisdifferenz gegenüber einem genügend dicken Maillon Rapide aus dem Fachgeschäft ist auch vernachlässigbar.

Wenn Rückzug, dann so, mit einem alten Karabiner. Bei diesem Bolt allerdings bestimmt nicht ohne Herzklopfen...
Gegen das Ausrüsten von Standplätzen und Abseilpisten mit Maillons ist hingegen nichts einzuwenden. Doch bitte setze auch hier, wie erwähnt, Markenware mit ausreichendem Durchmesser ein. So, nun hoffe ich, dass dieser Beitrag etwas Klarheit in den Maillon-Dschungel gebracht hat. Zum Schluss noch folgende Anekdote: ein grosses Schweizer Bergsport-Fachgeschäft verkauft zwar (immerhin!) Qualitäts-Maillons von Péguet, allerdings wird die Nutzlast als Bruchlast angegeben (Screenshot)... ob daraus etwa zu schliessen ist, dass  dort die Version ohne Bergsport-Norm EN 12275 verkauft wird? Sonst wäre ja nicht die Nutzlast eingeprägt, sondern die Bruchkraft. Na ja, wie auch immer, wir wissen ja nun über die Beständigkeit der Maillons Bescheid.

Sonntag, 10. Juni 2012

Drusenfluh - Alpenkönig (6c)

Super Pläne haben Tobias und ich, doch im Vorsommer 2012 lässt sich nix davon realisieren. So nützen wir bei letzter Gelegenheit ein kurzes Zwischenhoch mit Föhnphase für eine alpin angehauchte MSL-Tour. Wir entscheiden uns für den Alpenkönig (16 SL, 6c) im Rätikon. Dieser verspricht viele Klettermeter, vorzügliches Gestein und dennoch auch einen Hauch Abenteuer.

Im Vorfeld ist auch etwas unklar, wie die Schneelage im Gebiet denn überhaupt ist. Ein 18 Tage alter Eintrag im Online-Forum zeigt Tourengänger noch mit Skiern im Zustieg an die Kirchlispitzen. Doch inzwischen sollten Wärme und Regen ihren Dienst wohl getan haben, und wir beschliessen, es zu versuchen. Tatsächlich gestaltet sich die Anfahrt über die frisch ausgebesserte Strasse hoch zum Grüscher Älpli problemlos. Mit dem Versuch, noch weiter in Richtung Kletterhüttli voranzukommen, lassen wir dann etwas Zeit liegen, die Strasse ist nämlich noch nicht passierbar.

Situation an der Drusenfluh Südwand im Juni 2012 - unsere Tour am Pfeiler im linken Bilddrittel
So geht es halt zu Fuss weiter, nach rund einer Stunde Zustieg, zuletzt etwas mühsam weglos über labile Geröllhänge und zuletzt pickelbewehrt über ein kurzes, steiles und hartes Schneefeld, stehen wir unter der eindrücklichen Wandflucht. Einschlägige Quellen bezeichnen die ersten beiden Seillängen als unlohnend und umgehbar. Im Angesicht des schuttig-flachen Geländes, durchsetzt mit nur wenigen Metern hohen Felsstufen, schätzen wir dies ebenso ein, steigen rechterhand über Schrofengelände hoch und beginnen um 10.15 Uhr gleich mit der nominell dritten Seillänge.

Etwas mühsamer wegloser Zustieg über labile Geröllhänge, oben die komplexe Wandflucht
SL1, 6a+: die Crux in Wandkletterei gleich zu Beginn, dann lange Querung nach rechts, zuletzt eine gar nicht so einfache, abdrängende, etwas brüchige Verschneidung zum Stand auf der Kanzel rechts.

Tobias in SL 1 (6a+), die Verschneidung am Schluss hat es noch in sich...
SL2, 6c: lange, sehr schöne Seillänge mit Wasserrillen und zerfressenem Fels. Der im Panico-Führer angegebene Grad (6a) stimmt nur, wenn man 2 Bolts auslässt und die durchaus erzwungene Crux ungesichert rechts umklettert. Das wagt wohl kaum jemand. Auch direkt geklettert geht es im Grad 6c gut frei, oder ansonsten auch A0 an den 3 Haken. Zuletzt dann etwas kühn über Wasserrillen zum Stand. Trotz klammen, gefühllosen Fingern und Zehen konnte ich diese Cruxlänge (wie auch den Rest der Tour) mit etwas Geduld onsight durchsteigen.

Hinweis: der Stand nach SL1, die ganze zweite Seillänge und der Stand nach SL2 liegen in direkter Fallinie des grossen Gerölltrichters in Wandmitte. Die teilweise glattpolierten Felsen deuten klar darauf hin, dass hier immer wieder Steine fallen. Bei Schneeresten in der Wand oder Regenfällen herrscht hier grösste Gefahr, aber auch bei guten äusseren Bedingungen können Steine fallen (siehe unser Erlebnis unten).

SL 3, 6a: Kurz über Schrofen nach rechts hoch und in etwas gesuchter Linie in schönem Fels über eine Stufe hinweg. Danach den breiten Riss queren, und in sehr schöner, gut nachgerüsteter Plattenkletterei zum Stand.

Schöne Kletterei in SL 3 (6a).
SL 4, 4a: Kurze Überführungsseillänge ohne Absicherung und nennenswerte Schwierigkeiten zur nächsten kompakten Wandzone.

SL 5, 6a: In sehr schönem, rauhem Fels klettert man nach links tendierend aufwärts. Der gut sichtbare Pfeiler/Turm wird links umgangen. Der zweite und dritte Bolt sind von unten nicht sichtbar, aber auf der einfachsten Linie links aufwärts tendierend wird man sie schon finden.

Super Fels in SL 5 (6a), der Pfeiler oberhalb des Kletterers wird links (!) umklettert.
SL 6, 5c+: Schönes Wändchen in prima Fels gleich oberhalb vom Stand, dank einem Zusatzbolt nun auch gut abgesichert. Nach etwa 20m erreicht man den Stand.

Nun gilt es, über Schrofen und Geröll den Pfeilergipfel zu erreichen. Hier steckt kein Material, da wenig steil und nicht sonderlich exponiert, kann man hier seilfrei gehen. Am Fusse des nächsten Aufschwungs steigt man über etwas unsicheren Fels linkshaltend in den Geröllkessel ab (T6, II, zu Beginn exponiert). Von dort steigt man dann hinauf in das offensichtliche, sich verzweigende Kaminsystem. Nach rund 70-80 Klettermetern vom vorangehenden Stand baut man am besten Stand an einer fixen Schlinge.

Gefunden auf dem Weg zum oberen Teil. Wie und warum die (Jahrgang 2010) wohl hierhin kam?
SL 7, 6a: Erst noch etwa 15m nach links hoch durch die Kaminrinne, dann rechts in die Wand hinaus, mit sehr schönem Fels. In einem grossen Bogen klettert man erst nach rechts, dann wieder nach links (Seilzug). Der Beginn und ein kühner Move zum Stand hin wurden mit 2 nachträglich gesetzten Bolts entschärft.

Prima Kletterei, gar nicht so schwierig: SL 7, 6a
SL 8, 6a+: Eine ziemlich schwierige, griffarme Stelle wartet gleich unmittelbar nach dem Stand. Kriegt man die Griffe oberhalb einmal zu fassen, folgen athletische Moves, bevor man sich auf eine stetig einfacher werdende Querung nach links begibt.

Knifflige Stelle gleich aus dem Stand raus, dann athletisch weiter: SL 8, 6a+
SL 9, 6a+: Vom Stand nach rechts, mit einer Boulderstelle über einen Bauch hinweg. Auf einem schmalen Band quert man nach rechts zu einem Bolt, dann links aufwärts zu einem weiteren BH, und durch eine etwas brüchige Verschneidung zum Stand und Ende der Schwierigkeiten.

Yours truly, fotogen in der Crux von SL 9, 6a+
Nach dem Boulder über den Bauch folgt schöne Plattenkletterei, Tobias in SL 9, 6a+
SL 10, 5b: Nach rechts zum breiten, selbst abzusichernden Riss. Dort wo dieser ausläuft, leicht nach rechts tendierend in einfacherem Gelände aufwärts. Ein dort steckender BH dient zur Orientierung.

SL 11, 5c: Man klettert nach links an die Plattenkante und verfolgt diese in sehr schönem Fels. Mit der Zeit wird das Gelände einfacher und die Felsqualität minder. Leicht rechtshaltend schlägt man sich zum Stand durch.

Super Fels und schöne Kletterei zum Beginn von SL 11, 5c
Von dieser Stelle, wo die letzten Bohrhaken der Route stecken, warten noch 25m problemlose Kletterei, maximal im dritten Grad, zum Gipfelgrat. Noch vor 14.30 Uhr erreichen wir diesen. Ohne zu pressieren haben wir die Route in nur gerade gut 4 Stunden durchklettert und sind sehr zufrieden. Während es lange windstill war hat hier auf dem Kamm nun der Föhn eingesetzt. So ist es trotz Sonnenschein gar nicht so urgemütlich, und wir machen uns bald wieder auf den Weg nach unten.

Normalerweise erfolgt dieser, indem man über die Nordabdachung absteigt. Da wir dort noch viel Schnee erwarteten, d.h. über die genauen Verhältnisse im unklaren waren und nicht eine komplette Alpinausrüstung durch die Tour mitschleppen wollten, entschieden wir uns schon im Vornhinein für das Abseilen. Man sei sich aber Gewiss, dass dies keine gute Option ist.

Top of Drusenfluh, links vom Kletterer die Kirchlispitzen, am Horizont die Schesaplana
Abseilen

Erst gilt es nämlich, mangels Verankerung am Top, die 25m bis zum letzten Stand wieder abzuklettern. Die ersten beiden Abseilstrecken sind flach und schuttig, daher etwas mühsam. Als wir endlich das steilere Gelände darunter erreichen, passiert es dann: wohl durch das Seil selbst löst sich ein Stein und durchtrennt eines der beiden Halbseile bis auf wenige Mantelfasern - zum Glück merke ich dies beim Abseilen rechtzeitig. So wird das Seil halt zusammengeknüpft und der Knoten passiert, etwas mühselig, aber machbar.

Aber das ist noch nicht alles: als wir im Geröllkessel in Wandmitte stehen und das Seil abziehen wollen, verhakt es sich prompt an einem Pfeiler etwa 30m oberhalb. Ich spiele das rauf/runter-Spiel um es zu befreien, es gelingt. Danach muss das ungesicherte Gelände bis zum Stand von SL 6 abgeklettert werden, was vorsichtiges Agieren erfordert. Ab da geht es dann eventfrei und einigermassen zügig retour an den Wandfuss.

Diese Kaminschlucht bin ich beim Abseilen ein weiteres Mal auf- und abgeklettert...
Der Steinschlag

Ich erreiche den Einstieg als erster, Tobias kommt nach. Während ich meine Schuhe wechsle, zieht er die Seile ab. Just in diesem Moment kommen riesige Böller genau auf uns zugeflogen. In letzter Sekunde können wir uns in Deckung werfen und bleiben unbehelligt. Nur Minuten zuvor haben wir uns beim Abseilen aber genau in Schusslinie befunden. Wäre die Salve dann gekommen, so hätten wir alles Glück dieser Welt gebraucht, um die Situation unbeschadet zu überstehen. Angesichts des Sperrfeuers und dem eher plattigen Gelände, wo man diesem schutzlos ausgeliefert ist, wären Treffer wohl kaum zu vermeiden gewesen.

In den folgenden Minuten kommen noch zwei, drei kleinere Steinschläge nach, dann ist es wieder gespenstisch ruhig. Das Problem für uns ist, dass der Abstieg über die Schrofenzone (d.h. die ersten beiden, von uns umgangenen Seillängen der Tour) in die Geröllhänge darunter diesen Steinschlägen auch ausgesetzt ist. Es handelt sich hierbei um T5/T6-Gelände, welches einerseits sorgfältiges Abklettern verlangt, wenige Optionen zum Ausweichen bietet, und zudem droht hier bei einem Treffer der Absturz.

Wir entscheiden uns schliesslich für ein etwas aufwendiges Abklettern dem Wandfuss entlang. So müssen wir zwar höhere Kletterschwierigkeiten vergegenwärtigen, sind dafür jedoch einigermassen geschützt. Nur zum Schluss müssen wir im Hui ein kurzes Stück in der Gefahrenzone abklettern, um den Schneekonus zu erreichen, auf welchem wir uns im Nu abfahrend aus dem heiklen Gelände entfernen. Es blieb zwar die ganze Zeit des Abkletterns über ruhig, aber wer weiss das schon genau...

Routenübersicht: Drusenfluh, Alpenkönig
Facts

Drusenfluh - Alpenkönig 6c (6a obl.) - Ammann/Riebelmacher, 14.8.2000 - 11-16 SL, 700m - **, xxx
Material: 10 Express, Camalots 0.5-2, empfohlen werden 60m-Seile, 50m geht jedoch auch.

Leichtere Rätikontour, die aber über weite Strecken den typischen, tollen Fels mit hervorragender Reibung und kletterfreundlicher Struktur bietet. Es sei jedoch auch gesagt, dass die Wand hier etwas strukturiert ist, d.h. es warten auch einfachere Teilstücke mit weniger gutem Fels, bzw. einigen Schrofen- und Geröllzonen. Den alpin orientierten Kletterer wird dies aber nicht zu stören vermögen. Nachdem die Route im Jahr 2007 durch die Erstbegeher mit 12 BH nachgerüstet wurde, kann man sie durchaus als gut abgesichert bezeichnen. Die schwereren Kletterstellen sind nun wirklich alle vernünftig behakt, einzig im leichteren Gelände gilt es hier und da ein Klemmgerät zu platzieren, oder einen Runout zu vergegenwärtigen. Man beachte, dass die Route in der unteren Hälfte dem Steinschlag exponiert ist!!! Deshalb sollte man nur bei sicherem Wetter einsteigen, und nur wenn sich absolut keine Schneeresten mehr in der Wand befinden. Das Abseilen über die Route ist durchführbar, aber mühsam, steinschlägig und wenig empfehlenswert - man wähle den Fussabstieg!

Topo

An dieser Stelle wird das Originaltopo der Erstbegeher präsentiert. Von Frank Nebbe existiert ein weiteres, gutes Topo zur Tour. Bei topoguide.de kann man für 1 Euro ein weiteres Topo erwerben. Dieses gibt m.E. den Routenverlauf am besten wieder. Mit ausschliesslich demjenigen aus dem Panico-Führer Rätikon Süd dürfte man hingegen seine liebe Mühe haben, der Tour zu folgen, es ist sehr rudimentär.


Originaltopo der Erstbegeher

Hinweis: weitere Bilder von Tobias sind auf dem Rocksports-Forum zu finden

Montag, 4. Juni 2012

Ohne Sauerstoff am Everest

Nachdem wir mittlerweile schon in der ersten Juniwoche sind, schliesst das Fenster für eine Begehung des Everest wieder. Da es nichts neues mehr an Tragödien und Gipfelerfolgen zu berichten gibt, verabschieden sich auch die Medien wieder aus dem Zirkus. An dieser Stelle einige Gedanken zum vieldiskutierten Bergsteigen mit und ohne Sauerstoff.

Als erstes möchte ich an dieser Stelle auf den Abschlussbericht von Ueli Steck verweisen. Wenn einer weiss, wovon er spricht, dann er! Herzliche Gratulation zur famosen Leistung, den Everest auf souveräne Art und Weise ohne die Inanspruchnahme von Flaschensauerstoff und erst noch auf eigene Faust, d.h. ohne Sherpateam bestiegen zu haben. Das ist ganz einfach sackstark. Mit seiner Aussage bzgl. einer Everest-Besteigung mit Sauerstoffflasche ist er glasklar:

Sauerstoffdepot im Lager 2 auf 6400m. Hinten der Lhotse. Bild: uelisteck.ch

"Das Resultat ist beeindruckend: nimmt man auf dem Gipfel 2 Liter pro Minute Sauerstoff aus der Flasche um auszuruhen, ist das wie wenn man sich im Basislager aufhält. Das heisst: es ist, als ob man sich auf einer Höhe von 5300 Meter befindet. Unter Belastung ist es etwas weniger krass. Aber wenn man beobachtet, dass die meisten am Gipfeltag 4 Liter pro Minute Englische Luft - wie die Sherpas früher den Flaschensauerstoff nannten - aus der Flasche atmen, so belegt es ziemlich genau Reinhold Messners Behauptung: man steigt eigentlich auf einen 6000er. Ziemlich genau 6500 Meter."

Ein Gipfelgang am Everest mit vs. ohne Flasche ist also nicht vergleichbar, da braucht es keine Diskussion darüber. Interessant ist dann aber der folgende Satz von Ueli Steck:

"Ich wechselte die Batterien von meiner Schuhheizung. Das System ist einfach genial: Ich hatte immer schön warme Füsse und auch warme Hände. Ist ja gar nicht so schlimm das Höhenbergsteigen...."

Man stelle sich jetzt vor, der Himalaya-Bergsteiger Joe Normalo würze seinen Abschlussbericht der Everest-Besteigung mit der folgenden Aussage: 

"Ich wechselte meine Sauerstoffflasche. Das System ist einfach genial: ich hatte immer genügend Luft, und auch schön warme Füsse und Hände. Ist ja gar nicht so schlimm das  Höhenbergsteigen...."

Sowohl die Schuhheizung wie auch die Sauerstoffflasche sind technische Hilfsmittel, dank denen der Mensch den Gipfel einfacher und mit geringeren Risiken für die eigene Gesundheit erreichen kann. Natürlich sind es nicht die einzigen, die am Everest zum Einsatz kommen. Brennstoff aus der Kartusche zum Kochen bzw. Schneeschmelzen wird von ausnahmslos allen Aspiranten verwendet - und dabei ist es auch ganz einfach Gas aus einem Behälter, wie der künstliche Sauerstoff auch. Ist die Unterscheidung zwischen mitgenommenem Gas zum Atmen und mitgenommenem Gas zum Kochen nun eine wesentliche, oder ist das beides dasselbe? 

Materialtransport im Khumbu: die Träger arbeiten im Akkord, 5 x 25kg Zementsäcke habe ich mit eigenen Augen gesehen!
Wenn man einmal bedenkt, wie viele weitere Hilfsmittel zum Einsatz kommen, so ergibt sich eine lange Liste: Zelte, Daunenanzüge, Schlafsäcke, .... Und wer hat denn den Everest wirklich aus eigener Kraft erreicht? Kaum einer ist ohne Hilfe eines Flugzeugs in die Region gelangt, hat Strassen benützt, in Lodges übernachtet, usw.. Kurzum: während also eine Unmenge an künstlichen Hilfsmitteln ganz selbstverständlich eingesetzt werden, ist der Einsatz von Flaschensauerstoff verpönt. Das mag bei objektiver Betrachtung absurd erscheinen, aber so sind halt die Regeln in diesem Spiel. Wir, beim Sportklettern, unterwerfen uns ja auch dem Rotpunktdiktat, obwohl die Expresschlingen ganz famose Griffe hergeben würden - eigentlich ebenso absurd, aber: kein Spiel ohne Regeln.

In den Medien, bei Kommentatoren und Beobachtern hat sich in den letzten Wochen zu sehr eine Fokussierung auf das Thema Flaschensauerstoff durchgesetzt. Nicht jeder, der die Flasche benützt, ist ein unfähiger Tourist, und längst nicht jedermann wäre fähig, den Everest mit künstlichem Sauerstoff zu erreichen: Zeit, Einsatz, Risikobereitschaft, Fitness und Zähigkeit braucht es allemal. Beim Fingerzeigen sollte man sowieso vorsichtig sein: wann hast Du das letzte Mal einen Berg (und sei es nur ein 4000er) bestiegen, ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen: z.B. durch Speis und Trank, welches mittels Helikoptern hinaufgeflogen wurde, mit Unterkünften, die auch irgendwann von Dritten erbaut wurden, mit fixen Sicherungen, welche zuvor von einer Art "Sherpa-Team" angebracht wurden? Durch Zuhilfenahme von Bergbahnen, ja gar solchen wie die Bahn aufs Jungfraujoch oder die Aiguille du Midi, welche einen direkt ins Hochgebirge bringen?

Ich war auch mal da, nicht für den Everest allerdings. Ausser ein paar Akklimatisationsbergen habe ich aber keine grossen Stricke zerrissen, die Zeit wurde vor allem mit hartnäckigem Kranksein, Warten, Jassen und immerhin der einen oder anderen Bouldersession über die Runden gebracht. Auf diesem Trip hätte ich es, obwohl ansonsten topfit, auch mit Flaschensauerstoff und einem noch so grossen Sherpa-Team niemals nur in die Nähe des Everest-Gipfels gebracht. Hinten übrigens die Ama Dablam.
Hier ein Versuch, für mich sinnvolle Regeln zum Höhenbergsteigen aufzustellen, welche dann sinngemäss auch in den Alpen und anderswo angewandt werden können:

  • Künstliche Hilfsmittel werden sowieso in grosser Anzahl verwendet. Also macht es Sinn, sie gleich generell zu erlauben. Daher ist grundsätzlich auch gegen die Verwendung von Flaschensauerstoff nichts einzuwenden.
  • Ab dem Basislager (bzw. der Hütte) wird auf Hilfe von Dritten verzichtet. Wird der Berg nicht im Alpinstil bestiegen, so muss das Material eigens in die Hochlager transportiert werden. Allfällig bereits vorhandene Einrichtungen (permanente Fixseile, Haken, Sicherungsstangen, Biwakschachteln, ...) dürfen aber benutzt werden.

Auch wenn ich da nicht hingehen werde, ich würde den Everest sicher mit Sauerstoff in Angriff nehmen, aber versuchen, oberhalb des Basislagers selbständig zu operieren. Eine Begehung "ohne" ist sportlich sicher höher zu werten, aus meiner Sicht ist es aber kein muss, um eine gültige Besteigung geltend machen zu können.