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Donnerstag, 16. Mai 2013

Wendenstöcke - Dragon (6c)

Tja, viel neues gibt es aktuell nicht zu berichten aus dem Sektor alpine Abenteuer. Die letzten Wochen, geprägt von instabilen Wetterlagen und arbeitsintensiven Tagen erlaubten bis aufs Sportklettern keine grossen Ausflüge. Ist ja nicht so schlimm, auf diese Weise lässt sich die Grundlage für einen tollen MSL-Sommer legen, denn irgendwo her muss die Form ja kommen. Vom Sportklettern zu berichten ist halt leider etwas weniger spannend, vor allem dann, wenn man eigentlich "schwierige" Touren klettern möchte, dann aber doch immer und immer wieder runterfällt...

Übersicht und Routenverlauf: Dragon (6c) führt am markanten SE-Pfeiler des Pfaffenhuet aufs Ringband hoch.
Darum kramen wir zur Unterhaltung etwas in der Touren-Mottenkiste und da findet sich noch Material über die Remy-Route Dragon am Pfaffenhuet. Bereits im September 2011 hatte ich diese angepackt. Wunsch und Ziel war es, zusammen mit Kathrin wieder mal eine Tour an den Wenden zu machen. In einer Tagestour als Eltern von kleinen Kindern kein einfaches Unterfangen. Doch mit genauem Kalkulieren des Zeitbudgets schienen die 7 Seillängen realistisch, zumal es sich gemäss Topo um eine der nominell einfachsten Routen am Massiv handeln sollte. Der mir inzwischen bestens bekannte Zustieg war Formsache, die Schneefelder um diese Jahreszeit komplett inexistent, so waren wir um etwa 11.30 Uhr startbereit.

Hier geht's los. Sieht vielleicht easy aus, aber der Wulst zum Beginn der Wasserrille ist überhängend und total ungriffig. Die Rille selbst ist auch alles andere als henklig und geht erst gut, wenn man einmal die Füsse drin hat. Die Absicherung ist auch von der eher fordernden Seite...
SL 1, 6c: Der Auftakt hat es in sich und beinhaltet auf den ersten Metern gleich die Crux der Route. Über einen Wulst hinweg will eine senkrechte Wasserrille gewonnen werden. Die Sache ist abdrängend, rund,  untrittig und auch gleich obligatorisch. Ich kann schliesslich einen 3er-Camalot in die Rille würgen und im dritten Anlauf kriege ich die Züge auch ganz knapp frei hin. Meines Erachtens ist das eher 7a wie 6c. Hat man die Wasserrille mal bezwungen, so führt schöne Plattenkletterei im 6b-Bereich zum Stand. Achtung, man soll sich nicht täuschen, 6b-Platten an den Wenden sind nie leicht.

Schöne Plattenkletterei dann im oberen Teil von SL 1 (6c). Gut gesichert, obwohl die BH weiter auseinander sind, wie es die Zoom-Aufnahme suggeriert.
SL 2, 6c: Vom Stand weg Traverse nach links und kräftig hoch, was gleich die Crux darstellt. Danach an sich schöne Plattenkletterei mit verwirrender Zick-Zack-Linienführung bei anhaltenden Schwierigkeiten. Auch mit Verlängerungen und Halbseiltechnik ist Seilzug kaum zu vermeiden. Die Absicherung ist mit 7 BH auf 50m jetzt auch nicht so üppig, zwischendurch kann man zwei-, dreimal etwas legen.

Respektvoller Blick in SL 2 (6c). Die kleine Verschneidung 15m oberhalb wird in 30 Klettermetern mit komplexer Linienführung links herum gewonnen.
Sicht von oben zurück auf SL 2 (6c), die oben ebenfalls eine komplizierte Linie bietet und selber abgesichert werden will.
SL 3, 5c+: Puh, die ersten 100 Klettermeter bis an den Beginn des grossen Pfeilers waren ja ganz schön stiff. Da sind wir grad froh, dass es erst einmal etwas gemütlicher dahingehen soll. Man biegt links um die Ecke und klettert die Verschneidung hoch, was für einmal wirklich recht gut geht. Die Absicherung ist aber luftig und erfordert Eigeninitiative.

Kathrin folgt in SL 3 (5c+). Die Verschneidung ist nicht superduper, bietet aber doch schöne Kletterei.
SL 4, 6a+: Vom Stand weg wartet gleich eine steile Riss-Verschneidung mit ziemlich glatten Seitenwänden. Sie ist clean und muss selber abgesichert werden. Erreicht man einmal das erste Podest, geht es danach nicht mehr ganz so anhaltend weiter. Steile Aufschwünge und Ruhepositionen wechseln sich ab, die 50m sind mit 4 BH gesäumt.

Sicht auf die etwas glatte und cleane Riss-Verschneidung zu Beginn von SL 4 (6a+).
SL 5, 6b: Erst folgt man weiter der Verschneidung, die sich hier zu einem rustikalen Kamin erweitert, selbst ein bisschem Moos und Dreck ist vorhanden. Danach gilt es dann, das System nach links zu verlassen und in typischer Wendenmanier Wandkletterei zu betreiben. Erst noch griffig und mit 2 nachträglich gesetzten BH gut gesichert, wartet dann prompt an der technisch-feinen Crux ein Runout, wo echt schwere 6b-Moves 2-3m über dem Haken gezogen werden wollen. 

Wenn es nicht die Wenden wären, wo man feine Platten oder griffige Wandkletterei will, würde man sagen es sei super.
SL 6, 6a+: Tolle, steile und griffige Kletterei mit allerdings auch etwas luftiger Absicherung. Für uns ist es total ätzend, dass inzwischen eine Heli-Rettung im Gang ist, weil ein Kletterer in den Ausstiegslängen von Sternschnuppe/Inuit gestürzt ist und sich schwer verletzt hat. Der Lärm ist ohrenbetäubend, verunmöglicht jede Kommunikation und ein paar Steinchen (zum Glück nix grosses) kommen auch dann und wann geflogen.

SL 7, 6b: Die Rettung ist immer noch im Gang. Ich will noch die letzte SL machen, Kathrin verzichtet ob der Umstände im Vornhinein und heisst mich, danach gleich wieder abzuseilen. Die SL beginnt tiptop, der Ausstieg aufs Ringband dann zuletzt etwas schuttig-lose.

Oben raus haben wir ob dem ganzen Rettungs-Trubel nix mehr fotografiert, daher nochmals ein Shot aus SL 2 (6c). 
Die anspruchsvolle Kletterei hatte reichlich Zeit gefressen. Ohne es genau rekonstruieren zu können meine ich, dass ich in der Gegend von 18.00 Uhr oben war, unverzüglich die Seile fädelte und wir uns ans Abseilen machten. Da die Stände von Dragon ausgerüstet waren, ging es erst daselbst runter, unten benützten wir dann noch je einen Stand von Stars Away und Inuit und waren keine halbe Stunde später schon wieder am Einstieg. Der Unglücksrabe wurde inzwischen evakuiert, so dass auch wieder Stille eingekehrt war. Eindeutig war jedoch auch, dass das Material jenes Teams noch am Wandfuss lag. Mitnehmen oder vor Ort lassen? Ich hatte etwas Skrupel, für eine solche banale Frage die Rega-Notrufnummer 1414 zu wählen. Ich rang mich aber dann doch durch, notfalls könnte ich mich höflich entschuldigen und wieder auflegen. Mein Anruf war aber sehr willkommen. Im Nu wurde ich von der Zentrale an den Helikopter durchgestellt, aus welchem eine Verbindung zum unverletzten der beiden Kletterer hergestellt wurde. So sprachen wir von Handy zu Handy via Helikopter und natürlich war es höchst willkommen, dass wir das Material zu Tale brachten. Schon eindrücklich, wie professionell das alles funktioniert - da zahlt man seinen jährlichen Gönnerbeitrag gleich doppelt gerne. So machte ich aus drei (Rucksäcken) eins. Vorsichtig stiegen wir auf die Wendenalp ab: obwohl inzwischen eine gut erkennbare Spur vorhanden ist, ist die Steilheit des Geländes vor allem im Abstieg doch jedes Mal wieder eindrücklich und ein Fehler wäre in jedem Falle fatal.

Facts

Wendenstöcke - Dragon 6c (6b obl.) - 7 SL, 280m - Y. & C. Remy 1988 - ***, xxx
Material: 12-14 (auch lange!) Express, Camalots 0.3-3, Keile 4-9

Abwechslungsreiche Route auf der rechten Seite des Pfaffenhuet. Sie bietet erst zwei anspruchsvolle Plattenlängen, dann 2.5 SL an einer einfacheren, etwas rustikalen Verschneidung, wo der Fels ok ist, aber nicht immer allerbeste Wendenqualität aufweist. Die 2.5 Abschlusslängen bieten dann steile, griffige Wandkletterei und sind wiederum prima. Die Route wurde von den Gebrüdern Remy selber im 2009 "saniert", wobei das Wort nicht wirklich passt: an einigen einfacheren Stellen wurden ein paar wenige Zusatzbolts gesetzt. An den Schlüsselstellen, wo schon früher BH waren, blieben Abstände und Material beim Alten. Somit stecken dort sowie an den Ständen noch die Haken von 1988. Ziemliche Mogelpackung also, das mit der Sanierung. Zudem: als Bewertung sähe ich jetzt 7a (6b+/6c obl.) als realistischer an. Immerhin merkt man gleich auf den ersten Metern, ob es passt oder nicht.

Yours truly am Stand von SL 3 oder 4, fotografiert aus der Patent Ochsner. Danke Hans!
Fazit

Die Dragon ist ja eine kaum bekannte und nur wenig gekletterte Wendenroute. Der Fels und die Kletterei sind aber weitestgehend einwandfrei, und die 2.5 einfacheren Seillängen in der nicht ganz so guten Verschneidung trüben den Genuss auch nicht sonderlich. Mit einer sinnvollen Absicherung, was jetzt Material, seilzugfreie Linienführung und den Schwierigkeiten angepasste Abstände anbetrifft, könnte man diese Tour durchaus zu einer wirklich lohnenden Unternehmung aufwerten, die mit Routen wie Sonnenkönig und Aureus auf jeden Fall mithalten kann. Logisch, eine Wenden-Toproute wird es nie werden, im Vergleich zu vielen anderen Klettergebieten könnte die Dragon immer noch ein sehr lohnenswertes Highlight mit für die Wendenstöcke eher moderaten Schwierigkeiten sein. Schade, dass diese Chance bei der Pseudo-Sanierung verpasst wurde...

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