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Dienstag, 16. Juni 2015

Moor - Moorphium (7b)

Während meiner ganzen Kletterkarriere hatte ich bisher stets einen Bogen um den Moor gemacht. Und ich muss sagen, das war definitiv ein Fehler! Auch dieses Mal hatten wir lange gerungen, wohin es denn nun gehen sollte. Hohe Temperaturen, Sonnenschein, aber auch starker Föhnwind und von Westen anrückende Gewitter erforderten eine sorgfältige Gebietswahl. Nach einer längeren Diskussion einigten wir uns schliesslich aufs Moorphium und hatten die perfekte Wahl getroffen: bessere Bedingungen wären kaum anzutreffen gewesen, und die Route ist überaus lässig.

Der Moor im Alpstein in seiner ganzen Pracht, mit der eingezeichneten Linie der alpinen Sportklettertour Moorphium.
Unsere Tour startete um 7.40 Uhr in Wildhaus. Durchs Flürentobel ging es aufwärts, danach weiter Richtung Wildhuser Schafboden. Jonas erzählte mir ausführlich von all seinen Touren im Hochgebirge, ich lief hinterher und dachte mir läck, seiner Kondition hat das nicht geschadet. In zügigem Schritt hatten wir die 1000hm Zustieg nach 1:25 Stunden erledigt. In der Literatur sind für den letzten Anstieg zum Wandfuss 3 Varianten beschrieben. Keine davon weist jedoch echte Wegspuren auf, und so bleibt es der Phantasie des Kletterers überlassen, wo er denn die steilen Grashänge hochsteigen will. Wir entschieden uns, so lange wie möglich auf dem Bergweg zum Jöchli zu bleiben und zweigten erst bei der Verflachung auf 1880m nach rechts ab. Das dünkte mich in Auf- und Abstieg ideal, sicherlich eine empfehlenswerte Variante mit Schwierigkeiten im Bereich T4+. Nach einem Vesper am Einstieg konnte es schliesslich gegen 9.30 Uhr losgehen mit der Kletterei.

Im Zustiegsgelände. Der letzte Abschnitt hinauf zum Wandfuss ist recht steil und weglos, jedoch gut zu passieren.
L1, 35m, 6c: Der erste Haken steckt nicht gerade bodennah, doch zu Beginn ist die Kletterei einfach. Das ändert sich, je näher man dem grossen Dach kommt. Eine Plattenstelle erfordert es, die Bewegungen sauber zu planen und durchzuführen. Das ca. 1m ausladende Dach ist dann sehr athletisch, dank ein paar Henkeln oberhalb und Trittmöglichkeiten an der Dachkante jedoch erstaunlich einfach zu haben. Danach geht's noch über einige Meter einer kleinen Verschneidung entlang weiter, hier will noch obligatorisch ein Cam versenkt werden.

Auftakt in L1 (6c) über eine schöne Platte und danach ein athletisches Dach,, das hier gar nicht sichtbar ist.
L2, 25m, 6c+: Kurz nach links hochsteigen, dann spielt am ersten Wulst auch schon die Musik. Es ist sehr athletisch dort und leider wartet oberhalb nicht sogleich ein idealer Henkel. Im Wandbuch wird von Griffausbrüchen berichtet und Schwierigkeiten von 7a oder 7a+ werden erwähnt. Sicherlich wartet hier die zweitschwerste Einzelstelle der Route, gewusst wie lässt sie sich allerdings durchaus gut freiklettern. Der Rest der Länge ist dann einfach ein Fest: prima Tropflochkletterei bei eher luftigen Abständen mit zwingenden Kletterstellen dazwischen. An zwei Stellen lässt sich noch ein Cam versorgen, trotzdem ist der eine oder andere Haken nichttrivial anzuklettern. Eine etwas schwerere Einzelstelle wartet dann noch am letzten Bolt vorbei.

Super Kletterei in angenehm rauhem Fels mit zwingenden Moves bei Bohrhaken mit gesunden Abständen: L2 (6c+)
L3, 40m, 6c+: Kaum zu glauben, aber es wird noch besser. Diese Länge alleine verdient auf jeden Fall volle fünf Sterne. Anhaltend steil und knifflig geht es in perfektem, rauhem Fels in die Höhe. Zwischen dem zweiten und dritten Bolt wartet die Vorstiegscrux der Route. Wenn man einmal mit den Füssen auf Hakenhöhe steht, muss in einem Runout unangenehm trittlos mit einem Untergriff angelaufen werden. Aber nur dranbleiben, die Griffe werden nachher schon wieder besser und der nächste Bolt, der erst noch in weiter Ferne erscheint, lässt sich schliesslich gut anklettern und klippen. Nach dieser Stelle hat man die Route dann im Sack, die Absicherung ist oben raus nicht mehr so verpflichtend.

Fantastische Kletterei in L3 (6c+), diese Länge wäre auch an den Wenden herausragend.
L4, 25m, 7b: Die klettertechnische Crux der Route muss man leider eher als kleinen Schönheitsfehler werten. Eine kurze, knifflige und leicht überhängende Wandstelle an etwas splittrig anmutendem Fels will gemeistert werden. Dank einem ideal steckenden BH kommt man hier jedoch auch mit 6b 1pa durch. Ich gab mir 2-3 Versuche an dieser Stelle, schliesslich fehlten mir nur 10-15cm um mich an die rettende Leiste hochdrücken zu können. Mit noch etwas mehr tüfteln schien mir das machbar, den Beweis blieb ich allerdings schuldig. Woher die Bewertung von 7b kommt, ist mir nicht ganz klar. Im Wandbuch schreiben die Erstbegeher eindeutig 9- (d.h. 7b+), und auch die RP- oder Onsight-Wiederholer haben sich alle in dieser Richtung geäussert.

Ist zwar nicht die Crux, aber die Querung zum Stand hin am Ende von L4 (7b) ist zum Schluss auch nochmals knifflig. 
L5, 35m, 6c: Nochmals eine wirklich sehr schöne Länge in prima Fels. Gleich schon der Start aus dem Stand raus fordert, dann heisst es über die erste Wandstelle dranbleiben. Der Rest der Länge ist dann etwas einfacher und entlang von meist griffigen Rissen und Schuppen definitiv der Rubrik Genuss zuzuschreiben. Im Vergleich zu den beiden fordernden 6c+ von L2 & L3 ist hier sowohl die Bewertung irgendwie gutmütiger ausgefallen, wie auch die Absicherung deutlich enger gehalten.

Man sieht's sehr gut, die Kletterei in L5 (6c) ist nun deutlich entspannter wie unten.
L6, 45m, 6b: Ab hier ist nun der Schwung der Route definitiv gebrochen, auch wenn noch ein paar schöne Kletterstellen folgen. Doch zuerst gilt es einmal eine einfache Zone über ein Band hinweg zu klettern, dann warten ein paar unschwierige Aufschwünge, bevor dann zuletzt noch eine Wandstelle mit der Crux zum Stand hin folgt. Zwei Bohrhaken sichern die Stelle gut ab, die 6b-Bewertung empfanden wir als von der eher gutmütigen Sorte.

Blick auf die oberste Partie der Moor-Südwand mit den letzten beiden Seillängen vom Moorphium.
L7, 20m, 6c+: Bereits vom Stand nach L5 kann man vermuten, dass auch diese letzte Länge nicht mehr die anhaltenden Schwierigkeiten vom ersten Routenteil bieten wird. So kommt es dann auch. Die Schwierigkeit beschränkt sich hier auf den gut abgesicherten Boulder über den Bauch gleich nach dem Stand. Womöglich ist diese Stelle etwas grossenabhängig, aber das kam mir im Vergleich zu L2 und L3 jetzt doch gar banal vor. Zuletzt erreicht man dann in schöner Kletterei im Niveau um 6a+ das Top.

Inzwischen war die Uhr auf 14.00 Uhr vorgerückt, rund 4:30 Stunden hatte uns die Kletterei also beschäftigt, wobei es heute keinen Grund gab, besonders eilig zu sein. Am Top mochten wir aber dennoch nicht lange verweilen. Der prognostizierte Föhnwind war bisher höchstens in der Form von einem lauen Lüftchen zu spüren gewesen, doch hier an der Krete pfiff er nun doch etwas um die Ohren, so dass es trotz Tal-Temperaturen nahe der 30-Grad-Marke gar nicht mehr sonderlich warm schien. Überhaupt hatten wir die Kletterei bei sehr angenehmen Bedingungen geniessen können und wir waren froh, nicht ein schattigeres oder dem Wind mehr exponiertes Ziel gewählt zu haben. 

Im Auf-/Abstieg durchs Flürentobel lässt sich noch sehr gut ein Blick auf meine letztjährige Kreation XL an der Schafbergwand werfen.
Die Abseilerei ging dann problemlos vonstatten. Die Querung vom Top nach rechts zum Abseilen kann man sich wirklich sparen, der nächste Abseilstand ist auch vom eigentlichen Routenende gut zu erreichen. Achtung, auf den Bändersystemen am Anfang von L6 liegt einiges an losem Material herum. Dank geschickter Lage der Standplätze hält sich die Eigengefährdung im kleinen Rahmen, doch sollten sich andere Seilschaften in der Wand befinden, so ist hingegen grosse Vorsicht nötig, damit man keine Brocken in die Tiefe schickt. Wobei, mit durchschnittlich ca. 3 Begehungen pro Jahr ist die Route nicht als überfrequentiert zu bezeichnen. Im steilen Gelände unterhalb geht's dann abseilend zügig dem Einstieg entgegen. Dort verspern wir nochmals und treten dann den Weg nach Wildhaus an, wo wir noch vor 16.00 Uhr eintreffen und mit einem kühlen Getränk anstossen können.

Back in Town, der Moor grüsst bereits wieder in der Ferne am Horizont.
Facts

Moor - Moorphium 7b (6c obl.) - 7 SL, 225m - D. & L. Dürr, Chr. Looser 1998/99 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1, Keile nicht nötig

Sehr schöne, steile Wandkletterei in zumeist sehr gutem, rauhem Fels mit vielen Tropflöchern und griffigen Schuppen. Die Route startet fulminant und vor allem L2 & L3 sind allererste Sahne. Die kurze, griffarme und leicht splittrige 7b-Stelle in L4 ist dann eher etwas ein Schönheitsfehler. Und auch wenn oberhalb immer noch schöne Klettermeter folgen, so ist die Route dort oben einfach nicht mehr ganz so eindrücklich wie zu Beginn. Die Absicherung mit durchdacht platzierten Inox-Bolts kann man als gut bezeichnen. In L1-L3 sind die Abstände jedoch eher gross und die Kletterei zwingend (d.h. unteres Ende von xxx). Es fühlt sich so an, als ob die Erstbegeher nicht dort geboltet haben, wo man jetzt gerne die nächste Sicherung hätte, sondern jeweils weitergestiegen sind, bis ein Bolt wirklich unverzichtbar war. Trotzdem, die Absicherung ist fair und gefährliche Stürze sind kaum zu befürchten. Etwas paradoxerweise sind die oberen, eher einfacheren und weniger anhaltenden Seillängen dann üppiger eingebohrt. Allzu viel kann und muss man nicht dazulegen, ein Set von kleinen und mittleren Friends ist völlig ausreichend. Ein gutes Topo der Route kann man hier downloaden, das Moorphium ist Route Nr. 8. Weitere Details findet man im SAC-Kletterführer Alpstein.

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